Rechtsberatung zu Planfeststellungsverfahren
Von Matthias Möller, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Mitglied des Beirates der Bundesvereinigung gegen Schienenlärm
Genehmigungsverfahren und Bürgerbeteiligung
Wie werden eisenbahnrechtliche Vorhaben, insbesondere zum Schallschutz, genehmigt und welche Rechte haben die betroffenen Bürger?
1. Einleitung und historischer Überblick
Im Eisenbahnrecht gibt es verschiedene Genehmigungsverfahren, die für den Bau, den Umbau oder die Erweiterung von Bahnstrecken und den Schallschutz relevant sind. Während für Bauvorhaben außerhalb des Eisenbahnrechts zum Teil mehrere Genehmigungen mehrerer Behörden für ein Vorhaben notwendig sind, existiert im Eisenbahnrecht seit 1839 das Institut der Planfeststellung. Dabei prüft eine einzige Behörde die Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben für ein Vorhaben und erteilt eine abschließende, einheitliche Entscheidung, den Planfeststellungsbeschluss. Das Planfeststellungsverfahren stellt sicher, dass alle rechtlichen, technischen und umweltrechtlichen Anforderungen berücksichtigt werden, bevor größere Infrastrukturprojekte umgesetzt werden.
2. Planfeststellungsverfahren
a. Was ist das?
Das Planfeststellungsverfahren ist ein gesetzlich geregeltes Verwaltungsverfahren, das für größere Infrastrukturprojekte wie den Bau oder die wesentliche Änderung von Bahnstrecken erforderlich ist. Ziel ist es, alle relevanten Interessen abzuwägen und eine abschließende Entscheidung zu treffen, die rechtlich verbindlich ist.
b. Zweck
Im Kontext des Schallschutzes wird das Planfeststellungsverfahren notwendig, wenn durch den Ausbau oder die Änderung von Bahnstrecken neue Lärmbelastungen für die Anwohner entstehen könnten. Hierbei müssen Maßnahmen zum Schallschutz geplant und genehmigt werden.
3. Genehmigungspflichtige Maßnahmen:
a. Neubauten und größere Umbaumaßnahmen
Für den Neubau oder die wesentliche Veränderung von Bahnstrecken ist in der Regel ein Planfeststellungsverfahren erforderlich. Dazu zählen auch Maßnahmen, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt oder die Lärmsituation haben können.
b. Schallschutzmaßnahmen
Im Rahmen eines solchen Verfahrens werden Lärmschutzmaßnahmen geplant und genehmigt, wie zum Beispiel der Bau von Lärmschutzwänden oder die Verwendung lärmarmer Gleistechnologien.
4. Beteiligung der Bürger:
a. Öffentliche Auslegung der Pläne
Ein zentraler Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens ist die Bürgerbeteiligung. Die Pläne für das Vorhaben, einschließlich der Schallschutzmaßnahmen, werden öffentlich ausgelegt. Betroffene Bürger haben die Möglichkeit, diese Pläne einzusehen.
b. Einreichung von Einwendungen
Während der Auslegungsfrist können Bürger Einwendungen gegen das Projekt erheben. Diese Einwendungen können sich auf verschiedene Aspekte beziehen, zum Beispiel auf die zu erwartende Lärmbelastung oder die Wirksamkeit der geplanten Schallschutzmaßnahmen.
c. Erörterungstermin
Nach Ablauf der Einwendungsfrist findet in der Regel ein Erörterungstermin statt, bei dem die eingegangenen Einwendungen mit den Betroffenen und der planenden Behörde besprochen werden. Hier haben Bürger die Möglichkeit, ihre Bedenken noch einmal mündlich vertiefen vorzutragen und Anträge etwa zu Gunsten einer weitergehenden Aufklärung des Sachverhalts zu stellen.
d. Berücksichtigung der Einwendungen
Die vorgebrachten Einwendungen müssen von der Planfeststellungsbehörde – im Eisenbahnrecht das Eisenbahn-Bundesamt – geprüft und im weiteren Verfahren berücksichtigt werden. Dies kann dazu führen, dass die Pläne angepasst oder zusätzliche Schallschutzmaßnahmen eingeplant werden.
5. Rechtsweg:
Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss
Nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens wird ein Planfeststellungsbeschluss erlassen. Dieser Beschluss kann, falls die Einwendungen der Bürger nicht ausreichend berücksichtigt wurden, gerichtlich angefochten werden. Betroffene Bürger und anerkannte Umweltvereinigungen haben das Recht, vor einem Verwaltungsgericht Klage einzureichen.
6. Weitere Genehmigungsverfahren
Für kleinere Maßnahmen, die keine erheblichen Umweltauswirkungen haben, kann anstelle des Planfeststellungsverfahrens auch ein Plangenehmigungsverfahren angewendet werden. Dieses ist weniger umfangreich, bietet aber ebenfalls Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung, wenn auch in geringerem Umfang.
7. Zusammenfassung
Das Planfeststellungsverfahren ist das zentrale Instrument im Eisenbahnrecht, wenn es um Schallschutzmaßnahmen bei größeren Infrastrukturprojekten geht. Es soll sicherstellen, dass alle betroffenen Interessen abgewogen werden und bietet den Bürgern die Möglichkeit, sich aktiv an der Planung zu beteiligen und ihre Bedenken einzubringen.
8. Aufgabe der Bundesvereinigung gegen Schienenlärm
Eine hinreichende Berücksichtigung des Schallschutzes gelingt aus aller Erfahrung nur, wenn die Bürger sich auf die Formulierung ihrer Einwendung und später den Erörterungstermin mit Unterstützung von Umweltvereinigungen wie der BVS oder darauf spezialisierten RechtsanwältInnen vorbereiten. Die Bürgerbeteiligung ist ein wichtiger Teil auf dem Weg zu hinreichendem Schallschutz, der dazu beiträgt, dass Schallschutzmaßnahmen effektiv geplant und umgesetzt werden, um die Lebensqualität der Anwohner zu schützen.
Aus der Erfahrung der Bundesvereinigung gegen Schienenlärm bleibt dabei der Schallschutz regelmäßig hinter den Anforderungen der Weltgesundheitsorganisation zurück, die Gesundheit der Menschen unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge gegen eine Schädigung zu schützen. Die BVS hat sich daher als Ziel gesetzt, einen am Gesundheitsschutz orientierten Schallschutz auch über die derzeitigen normativen Vorgaben hinaus einzufordern und umzusetzen. Dab dabei benötigt sie die Unterstützung durch eine Mitgliedschaft von Städten, Gemeinden, Bürgerinitiativen und betroffenen Bürgern.
Lärm von Bahnstrecken des Bestandes
Handlungsempfehlung (an einem Beispiel aufgezeigt):
Ein Bürger mit einem Wohnhaus in der Nähe einer Bahnlinie erfährt von Gerüchten, dass die Bahn den Neubau eines 3. Gleises der Bahnstrecke plant. Er fragt sich, wie er konkret von der zuständigen Behörde über seine Betroffenheit informiert und zu Beteiligung eingeladen werden wird.
Wenn die „Bahn“, also die Deutsche Bahn InfraGo AG, plant, ein drittes Gleis auf einer Bahnstrecke in der Nähe eines Wohnhauses zu bauen, läuft das über ein sogenanntes Planfeststellungsverfahren. Dieses Verfahren wird vom Eisenbahn-Bundesamt durchgeführt, um zu entscheiden, ob das Bauvorhaben genehmigt wird.
Beteiligung am Planfeststellungsverfahren
Die Anwohner haben die Möglichkeit, am Planfeststellungsverfahren teilzunehmen. Das ist gesetzlich im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) geregelt. Hier sind die grundlegenden Schritte:
1. Öffentliche Bekanntmachung:
a. Die Behörde, die das Planfeststellungsverfahren durchführt, ist verpflichtet, das Verfahren öffentlich bekannt zu machen. Das bedeutet, dass die Information, dass ein solches Verfahren eingeleitet wurde, in öffentlichen Quellen zugänglich gemacht wird.
b. Typischerweise wird diese Bekanntmachung in der örtlichen Tageszeitung veröffentlicht. Sie erscheint aber nicht im redaktionellen Teil, sondern im „Amtlichen Teil“ oder im „Bekanntmachungsteil“ der Zeitung. Diese Bereiche finden sich oft im Anzeigenteil, der bei den Lesern weniger Aufmerksamkeit genießt.
c. Darüber hinaus kann die Bekanntmachung auch auf der Webseite der zuständigen Behörde (z.B. des Eisenbahn-Bundesamts) erfolgen.
d. Auch auf der Website oder im Amtsblatt der Gemeinde könnten solche Bekanntmachungen veröffentlicht werden.
d. Die sicherste Quelle, um von einem solchen Verfahren zu erfahren, ist die Mitgliedschaft in der Bundesvereinigung gegen Schienenlärm. Denn diese Umweltvereinigung wird von der Behörde über alle Planfeststellungsverfahren und die Öffentlichkeitsbeteiligung frühzeitig informiert.
2. Einsehen der Planunterlagen:
a. Nach dieser Bekanntmachung liegen die Planunterlagen, die das Bauvorhaben detailliert beschreiben, für eine bestimmte Zeit (in der Regel ein Monat) zur Einsicht aus. Diese Unterlagen liegen oft im Rathaus oder in der Gemeindeverwaltung des Wohnorts aus. Dort können die Pläne eingesehen werden und die Bürger können sich damit ein Bild davon machen, wie ihn Vorhaben betrifft.
3. Einwendungen erheben:
a. Die betroffenen Bürger haben das Recht, innerhalb einer bestimmten Frist (meistens zwei Wochen nach Ende der Auslegungsfrist), schriftlich Einwendungen gegen das Vorhaben zu erheben. Das bedeutet, sie können ihre Betroffenheit im (Wohn-)Eigentum, Bedenken, Vorschläge, Anträge oder auch Proteste schriftlich äußern, die dann im weiteren Verfahren berücksichtigt werden müssen.
b. Die Bundesvereinigung stellt ihren Mitgliedern regelmäßig mustergültige Einwendungsschreiben und darüber hinaus bei Bedarf individuelle Informationen zu dem einzelnen Planungsvorgaben zur Verfügung.
Fazit
Um sicherzugehen, dass der Bürger von einem Planfeststellungsverfahren erfährt, sollte er regelmäßig die örtliche Tageszeitung lesen, insbesondere den „Bekanntmachungsteil“.
Er kann auch regelmäßig bei seiner Gemeinde oder direkt bei der zuständigen Behörde nachfragen oder deren Webseiten prüfen.
Viel bequemer ist die Information durch die Bundesvereinigung gegen Schienenlärm, wenn der Bürger deren Mitglied ist.
Gesetze rund um die Eisenbahn
16. BImSchV – Verkehrslärmschutzverordnung:
24. BImSchV – Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung
- Verordnung der Bundesregierung vom 02.07.1996 mit Begründung – Bundesrats-Drucksache 463/96
- Empfehlungen der Bundesratsausschüsse vom 24.10.1996 – Bundesrats-Drucksache 463/1/96
- Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen vom 07.11.1996 – Bundesrats-Drucksache 463/2/96
- Plenarprotokoll der Bundesrats-Sitzung Nr. 704 vom 08.11.1996 S. 577A-C
- Beschluß des Bundesrats vom 08.11.1996 – BR-Drs. 463/96 (Beschluß ab S. 21)
- Verordnung der Bundesregierung 04.02.1997 – BGBl I 1997 Nr. 8 vom 12.02.1997, S.172
- Berichtigung der Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung vom 16.05.1997 – BGBl I 1997 Nr. 33 vom 02.06.1997 S.1253
Gesetz zum Verbot des Betriebs lauter Güterwagen (Schienenlärmschutzgesetz – SchlärmschG)
- Wortprotokoll der 103. Sitzung des Bundestagsausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zur öffentlichen Anhörung zum Entwurf des Schienenlärmschutzgesetz am 22. März 2017
- Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages – Gesetz zum Verbot des Betriebs lauter Güterwagen und zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes – Bundesrats-Drucksache 298/17 vom 21. April 2017
Rechtsprechung
Kommentare
„Bahnlärm-Gutachter endlich unfehlbar“ Ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.10.2020 wird von Dr. Armin Frühauf und Dr. Christian Nocke aus juristischer und schalltechnischer Sicht kommentiert und kritisiert. Erschienen in der Zeitschrift Lärmbekämpfung.
Kumulierende Ausbauvorhaben erfordern Gesamt-UVP