11. Juni 2017 (aktualisiert am 23.08.2017)
Die Bundesvereinigung gegen Schienenlärm e.V. (BVS) hat Wahlprüfsteine zur kommenden Bundestagswahl 2017 entwickelt, die offene politische Fragen zum Schutz vor Bahnlärm, Erschütterungen und Feinstaub ansprechen und an die wesentlichen, für den Bundestag kandidierenden Parteien sowie an die derzeitigen 124 Mitglieder der Parlamentsgruppe Bahnlärm mit der Bitte um Beantwortung geschickt wurden.
Alle Wähler können diese Wahlprüfsteine gerne mit zusätzlichen Fragen zu speziellen Problemen in Ihrer Region an ihre Bundestagskandidaten senden.
Eingegangene Antworten zu den BVS-Wahlprüfsteinen (in der Reihenfolge ihres Eintreffens):
13. April 2017
Die Bundesregierung teilte zum Stand der Umrüstung in der Bundestags-Drucksache 18/11832 vom 03. April 2017 mit, dass mit Stand vom 15. März 2017 im deutschen Nationalen Fahrzeugregister (NVR), dem Verzeichnis aller Eisenbahnfahrzeuge, insgesamt etwa 166.000 Güterwagen verzeichnet seien, aber davon nur etwa 23.000 mit sog. „K-Bremssohlen“, etwa 29.000 mit sog. „LL-Bremssohlen“ und nur ca. 1.000 mit Scheibenbremsen ausgestattet seien. Damit zählt nur etwa jeder dritte Güterwagen als „leise“.
Zwar läge der Anteil „leiser“ Güterwagen bei der DB AG derzeit bei etwa 51% (34.500 von 68.000 Güterwagen), aber von den restlichen 98.000 Güterwagen im NVR, die anderen Wagenhaltern gehören, sei nur etwa jeder fünfte Güterwagen als „leise“ anzusehen. Insgesamt sind damit von den in Deutschland registrierten Güterwagen nur 32 Prozent sog. „leise“ Güterwagen.
Weil nicht mindestens die Hälfte, sondern nur 32 % der in Deutschland registrierten Güterwagen umgerüstet sind, fordert die Bundesvereinigung gegen Schienenlärm e.V. (BVS) von CDU/CSU und SPD die noch für diese Wahlperiode versprochenen sofort wirksamen ordnungsrechtlichen Maßnahmen auf stark befahrenen Güterstrecken wie ein Nachtfahrverbot für nicht umgerüstete Güterwagen.
Die BVS erinnert Bundesregierung und Bundestag daran, dass der Staat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet ist, sich bei drohenden Eingriffen sofort schützend vor die Grundrechte der Bürger zu stellen. Das Verfassungsrecht erfordert daher eine Korrektur des Schienenlärmschutzgesetzes durch Streichung der dreijährigen Übergangsfrist zu Gunsten eines sofortigen Nachtfahrverbots für laute Güterwaggons.
Angesichts der Grundrechtseingriffe durch die nicht umgerüsteten Güterwaggons für hunderttausende Anwohner der Hauptabfuhrstrecken ist die durch Geschwindigkeitsbegrenzung und nächtliche Fahrverbote bewirkte Absenkung der Leistungsfähigkeit des Schienennetzes und der Transportdauer sowie des Vertrauensschutzes der Unternehmen in Ansehung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinzunehmen.
06. März 2017
In der Bundestags-Drucksache 18/11832 vom 03.04.2017 gibt die Bundesregierung Antwort auf Fragen einiger Bundestagsabgeordneter der Grünen zum Stand der LL-Umrüstung, der Lärmsanierung und dem geplanten Meßstellennetz.
So teilt die Bundesregierung mit, dass mit Stand vom 15. März 2017 im Nationalen Fahrzeugregister (NVR) etwa 68.000 aktive Güterwagen der DB AG eingetragen sind, davon sind etwa 34.500 Güterwagen mit „leisen“ Bremsen ausgestattet. Die Umrüstquote innerhalb der DB AG liegt daher aktuell bei ca. 51%.
Im NVR sind derzeit weitere etwa 98.000 aktive Güterwagen eingetragen, die nicht der DB AG gehören. Davon sind nur etwa 18.500 Güterwagen mit „leisen“ Bremsen ausgestattet (was einem Anteil von nur ca. 19% entspricht). Von diesen 98.000 Güterwagen gehören laut dem im NVR eingetragenem Firmensitz etwa 64.000 Güterwagen deutschen Wagenhaltern (Anteil „leiser“ Güterwagen ca. 18%), die restlichen 34.000 Güterwagen gehören ausländischen Wagenhaltern (Anteil „leiser“ Güterwagen ca. 21% – bemerkenswerterweise ist der Umrüstgrad bei den vielgeschmähten ausländischen Wagenhaltern höher als bei den deutschen exkl. DB AG !).
Insgesamt sind derzeit im NVR etwa 166.000 aktive Güterwagen eingetragen, davon etwa 23.000 mit K-Bremssohlen und etwa 29.000 mit LL-Bremsohlen, nur ca. 1.000 mit Scheibenbremsen. Die „leisen“ Güterwagen im NVR haben daher derzeit nur einen Anteil von 53.000/166.000 = ca. 32%.
Obwohl mit diesen bescheidenen 32% das 50%-Umrüstziel der GroKo-Vereinbarung weit verfehlt wird, teilte die Bundesregierung auf einer Informationsveranstaltung des BMVI am 21. Februar 2017 den anwesenden Wagenhaltern und EVU erstaunlicherweise mit, „dass nach gegenwärtiger Einschätzung das Ziel von 50 Prozent leiser Güterwagen erreicht werden kann.“
Mit welchen Zahlenspielen es die Bundesregierung schaffen will, aus den vorhandenen, bescheidenen 32% die geforderten 50% „leisen“ Güterwagen zu zaubern, verrät sie in ihrer Antwort nicht, sie vertröstet die grünen Fragesteller weiterhin auf das Ergebnis ihrer schon lange überfälligen „Evaluation“.
Und gleichzeitig läßt die Bundesregierung die grünen Fragesteller im Unklaren, wie und anhand welcher Daten denn diese „Evaluation“ erfolgen soll und sagt dazu nur:
„Zur Ermittlung des Umrüstungsstandes der Güterwagen [Anm: zum 31.12.2016] ist die Auswertung verschiedener Datenquellen erforderlich. Zu den zur Verfügung stehenden Datenquellen zählen:
Nationales Fahrzeugregister des Eisenbahn-Bundesamtes,
04. April 2017
Mitte Februar 2017 wurde folgende Anfrage an das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) gestellt:
„Die 24. BImSchV verweist explizit auf Beiblatt 1 zu DIN 4109:1989-11, das aber seitens des DIN zurück gezogen ist.
Durch die Zurückziehung von Beiblatt 1 zu DIN 4109:1989-11 ist aber wohl dokumentiert, dass Beiblatt 1 zu DIN 4109:1989-11 nicht mehr dem Stand der Technik entspricht, der aber nach Vorgabe des BImSchG zu beachten ist. Im Umweltleitfaden des EBA, der eigentlich die Vorgaben des BImSchG wiedergeben sollte, wird auf die Akustik23 als Erläuterung zur Umsetzung der 24. BImSchV verwiesen, die ja ihrerseits auf Beiblatt 1 zu DIN 4109:1989-11 verweist.
Wenn also die 24. BImSchV auf eine (zurückgezogene und damit nicht mehr dem Stand der Technik entsprechende) DIN-Vorschrift verweist, wäre die logische Schlussfolgerung, dass die 24. BImSchV selbst nicht mehr den Stand der Technik wiedergibt. Damit dürfte die 24. BImSchV für die Dimensionierung des passiven Lärmschutzes an Bahnlinien nicht mehr herangezogen werden.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir die Position des EBA zur Frage, ob die 24. BImSchV dem Stand der Technik entspricht, mitteilen würden.“
Das EBA bestätigte mit Schreiben vom 29. März 2017 diese Rechtauffassung und stellte fest: „Hier ist vielmehr der Verordnungsgeber gefragt, die 24. BImSchV entsprechend zu überarbeiten.“
Erstellt von L.Steininger, info[at]infoline-bahnlaerm[punkt]de
30. März 2017
Am 29. März 2017 hatten alle Fraktionen des Verkehrsausschusses der durch einen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD geänderten Fassung des „Schienenlärmschutzgesetzes“ zugestimmt. Wenige Tage zuvor hatte der Verkehrsausschusss noch eine Anhörung angesetzt, an der – wie bereits mitgeteilt – keine Umweltverbände oder die Bundesvereinigung gegen Schienenlärm e.V. eingeladen waren.
Am letzten Donnerstag, den 30. März 2017, befasste sich der Bundestag abschließend mit dem Gesetzentwurf und nahm diesen in der 2. und 3. Beratung einstimmig an (Wortprotokoll).
Der Ausschuss hatte die Tatbestände für Befreiungen von den Fahrbeschränkungen erneut erweitert. Befreiungen sollen nun für Güterwagen möglich sein, „für die es nachweisbar keine zugelassenen schallmindernden Austauschteile gibt, die an Stelle herkömmlicher Ersatzteile eingebaut werden können“. Außerdem sollen auch Güterwagen befreit werden, „die aus Gründen des historischen Interesses oder zu touristischen Zwecken betrieben werden“.
Erstmals können jetzt auch „laute“ Güterwagen auf Steilstrecken auf Antrag von den Verboten und Beschränkungen befreit werden können (weil LL-Bremsen für Steilstrecken nicht zugelassen sind).
Laut UIC dürfen Güterwagen mit LL-Sohlen Strecken bis zu 40 Promille Gefälle befahren. In Deutschland sind nur wenige Haupt- und Nebenstrecken mit mehr als 40 Promille Gefälle verzeichnet. Bei den von Güterzügen genutzten Hauptbahnen haben nur die Höllentalbahn und die Schnellfahrstrecke Köln-FFM eine Steigung von 40 Promille oder mehr, während es eine ganze Reihe von Nebenbahnen mit Steigungen von mehr als 40 Promille gibt.
Im ursprünglichen Gesetzentwurf war vorgesehen, dass „laute“ Güterzüge ihre Geschwindigkeit
reduzieren müssen. Gleichzeitig sollten deren Betreiber sogenannte Langsamfahrtrassen im Netzfahrplan beantragen müssen. Wegen der negativen Folgen solcher Langsamfahrtrassen auf die Netzkapazität hätten, wurde die Trassenzuweisung für langsame Züge, in die laute Güterwagen eingestellt sind, ausschließlich auf den Gelegenheitsverkehr beschränkt.
Zusätzlich ist jetzt für 2019 eine Evaluation der Wirkung des Gesetzes auf die Entwicklung des Schienenlärmpegels vorgesehen.
Der Bundesrat hatte der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs bereits am 10. Februar 2017 zugestimmt und muss jetzt noch der vom Bundestag verabschiedeten Fassung zustimmen.
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23. März 2017
BVS fordert Novelle des UVP-Gesetzes gegen „Salami-Taktik“ der DB Netz AG:
Die DB Netz AG teilt Verfahren zur Erhöhung der Streckenkapazität in zahlreiche kleine Abschnitte auf. Dies verschleiert die Relevanz für die Umwelt und den Lärmschutz. Das EU-Recht fordert dagegen eine Gesamt-Umweltverträglichkeitsprüfung auch für kumulative Verfahren. Die Umsetzung in deutsches Recht steht seit zwei Jahren aus. Die BVS fordert eine Novelle des UVP-Gesetzes um den Bürgern die Umweltrelevanz der zahlreichen Teilplanungen zu eröffnen.
Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 18/11499) will nun die gesetzliche Grundlage an europäische Vorgaben anpassen. Die BVS wird dies kritisch überprüfen. Mehr zum Entwurf und dem Anpassungsbedarf….
23. März 2017
Da zur gestrigen Anhörung des Bundestags-Verkehrsausschusses im Wesentlichen nur Interessenvertreter der Eisenbahnindustrie und der Eisenbahnverkehrsunternehmen geladen waren, aber keine Umweltorganisation und/oder die Bundesvereinigung gegen
Schienenlärm e.V. (BVS), hat die BVS mit einem Beschwerdeschreiben an die Mitglieder des Verkehrsausausschusses und die Fraktionen im Bundestag vehement gegen die Nichtbeteiligung der Betroffenen in der Anhörung protestiert und eine angemessene Beteiligung der vielen Millionen Bahnanlieger an der demokratischen Willensbildung im Bundestag angemahnt.
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21. März 2017
Zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf für ein Schienenlärmschutzgesetz (BT-Drs. 18/11287) veranstaltet der Bundestagsausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur am Mittwoch, 22. März 2017, eine öffentliche Anhörung. Fünf Sachverständige werden ab 15.30 Uhr im Raum E.600 des Paul-Löbe-Hauses zu dem Entwurf Stellung nehmen, der vorsieht, mit Beginn des Netzfahrplans 2020/2021 am 13. Dezember 2020 den Einsatz lauter Güterwagen auf dem deutschen Schienennetz zu verbieten.
Als Experten sind neben Prof. Markus Hecht von der Technischen Universität Berlin nur Interessensvertreter der Eisenbahnindustrie (VDV, VPI, Netzwerk Europäischer Eisenbahnen und Allianz pro Schiene) geladen.
Die vom Schienenlärm betroffenen Bahnanlieger wurden nicht eingeladen.
Anders als das OVG Sachsen-Anhalt vertritt das BVerwG die Auffassung, dass das EBA nicht generell, sondern allenfalls in – praktisch so gut wie nie vorkommenden – Ausnahmefällen verpflichtet sei, zum Schutz der Anwohner vor Schienenverkehrslärm dauerhaft wirkende Geschwindigkeitsbegrenzungen für durchfahrende Züge zu erwägen:
„Geht man davon aus, dass der Behörde Betriebsregelungen als Mittel des Lärmschutzes anlässlich einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nicht prinzipiell verwehrt sind, so kann das Eisenbahn-Bundesamt aber jedenfalls nur in Ausnahmefällen rechtlich verpflichtet sein, sie bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen; im Regelfall müssen Betriebsregelungen nicht erwogen und entsprechend in einem Planfeststellungsbeschluss auch nicht angesprochen werden.“ (Rn. 28).
Erstellt von L.Steininger, info[at]infoline-bahnlaerm[punkt]de
06. März 2017:
Das UBA hat einen neuen F+E-Bericht „Strategien zur effektiven Minderung des Schienengüterverkehrslärms“, erstellt unter Mitwirkung von Markus Hecht, Berlin, veröffentlicht:
UBA FKZ 371254100, Strategien zur effektiven Minderung des Schienengüterverkehrslärm
Die laufende Umrüstung der GG-Bremsklötze soll bis 2020 abgeschlossen sein. Die Studie untersucht technische Maßnahmen und Steuerungsinstrumente, um danach eine weitergehende Reduktion des Schienenlärms zu erreichen. Dazu werden Maßnahmen an der Infrastruktur und am rollenden Material (Lokomotiven und Waggons) näher betrachtet.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nach der Umrüstung der GG-Bremsklötze (Ziel A) die Lärmemissionen des Waggonaltbestand durch eine Vielzahl kleiner technischer Maßnahmen reduziert werden sollten (Ziel B). Parallel dazu sollten nur noch besonders lärmarme Neuwaggons (mit Scheibenbremsen und leisen Achsen und Drehgestellen) angeschafft werden (Ziel C). Ene stärker lenkendes lärmabhängiges Trassenpreissystem soll eine dafür eine ausreichende Anreizwirkung schaffen. Staatliche Subventionen sollten für die Anschaffung dieser besonders lärmarmen Waggons oder für eine „Abwrackprämie“ zur Verfügung gestellt werden. Durch ein unabhängiges Lärm-Monitoring-System, das in seiner technisches Konzeption beschrieben wird, soll die Wirkung der Maßnahmen überprüft werden.
Erstellt von L.Steininger, info[at]infoline-bahnlaerm[punkt]de
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